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Youth crime and prevention: Do not get on the wrong track
Published on October 7, 2025
Jugendkriminalität und Prävention: Nicht auf die schiefe Bahn geraten
Von: Christoph Agel
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Gefährderansprache und das Gespräch mit den Eltern sind für Wolfgang Schulz wichtig. Eine besondere Bedeutung hat aus Sicht des Jugendkoordinators zudem die Prävention. © Nicole Merz
Wie kriminell ist die Jugend? Was können Akteure der Gesellschaft tun, damit junge Menschen behütet aufwachsen? Wolfgang Schulz von der Polizeidirektion Wetterau weiß dazu einiges zu erzählen.
Wolfgang Schulz findet es gut, dass seit Beginn des neuen Schuljahres Handys an hessischen Schulen tabu sind - von Ausnahmen abgesehen. Der 59-Jährige weiß als Jugendkoordinator der Polizeidirektion Wetterau um die unrühmliche Bedeutung von Smartphones, wenn es darum geht, Mitschüler niederzumachen.
Jugendkriminalität und Smartphones: Ein Verbot kann helfen
Da helfe das Verbot. »Man verhindert, dass das Smartphone unter die Toilettenkabinentür gehalten und abgedrückt wird oder der Fünftklässler am Urinal steht und der Zehntklässler reinkommt, nichts sagt, ein Foto macht, wieder raus geht und den Kleinen mit den ganzen Empfindungen alleine lässt. Man verhindert, dass Schlägereien provoziert werden, nur aus dem Grund, sie aufzuzeichnen und jemanden bloß zu stellen.«
Das Gespräch mit Schulz in seinem Büro bei der Kriminalpolizei in Friedberg dreht sich um Formen der Jugendkriminalität, um Prävention und die Frage, wie man junge Menschen von der schiefen Bahn zurück holen kann.
Jugendkriminalität: Wenn Liebe und Geborgenheit fehlt
Wohin die Reise für Kinder und Jugendliche geht, hängt insbesondere vom Elternhaus ab. Der Jugendkoordinator bestätigt dies: »Insbesondere Kinder, deren Grundbedürfnisse wie Liebe, Aufmerksamkeit, Geborgenheit, Anerkennung und Vertrauen im Elternhaus unzureichend oder überhaupt nicht befriedigt werden und die keine kompensierenden Bezugspersonen aufzuweisen haben, erscheinen am gefährdetsten.« Überzeugungsarbeit bei den Eltern leisten, ist folglich ein wichtige Aufgabe für Wolfgang Schulz.
Er findet es zudem besonders wichtig, mit Schülern direkt zu arbeiten. Dafür kommt er an Schulen, im Unterricht wird sein Besuch vor- und nachbereitet. »Die Themen sind in den letzten Jahren immer die gleichen«, sagt Schulz. »Gefahren der Internetnutzung, Mobbing, Cybermobbing, Cybergrooming, Drogen legaler und illegaler Art, Konsequenzen strafbaren Fehlverhaltens,«
Auch bei schulischen Krisen ist der Jugendkoordinator gefragt. Mögliche Szenarien sind zum Beispiel: Ein Busunfall auf der Klassenfahrt, der Tod eines Lehrers oder wenn jemand das Wort »Amok«, versehen mit einem Datum, an die Toilettentür geschrieben hat.
Weniger Fälle von Gewalt an Schulen
Schulz geht im Gespräch mit dieser Zeitung auf verschiedene Kriminalitätsfelder ein. Messergewalt etwa - die sei unter Kindern und Jugendlichen in der Wetterau kein großes Thema. Was politisch motivierte Straftaten betrifft, so sei die aus dem linken Lager hier nicht vorhanden. Und vom rechten Rand? Schulz: »Meistens sind es Jungs unterhalb der Jahrgangsstufen neun und zehn, das heißt im Geschichtsunterricht wurde das dunkle Kapitel unserer Geschichte noch nicht durchgenommen. Die wissen nicht, was sie da machen, schmieren irgendwelche Zeichen hin, erstellen Hitler-Emojis, verbreiten Hakenkreuze oder treffen geschmacklose Vergleiche, auch rassistischer Natur. Da fehlt es an Bewusstsein.« Die Polizei versuche in Gesprächen, dieses Bewusstsein herzustellen.
Bei Gewalt an Schulen gibt es nach Angaben des Kriminalhauptkommissars ein großes Dunkelfeld. Nicht alles werde an die Polizei weitergegeben. Bundesweit habe man im Vergleich der Jahre 2023 und 2024 einen leichten Rückgang bei der Jugendkriminalität (Täter bis 21 Jahre alt) beobachtet, aber einen Anstieg bei Gewalt insbesondere von Kindern und Jugendlichen. In der Wetterau hingegen seien beide Zahlen gesunken.
Gefährder und Eltern ansprechen
Was kann die Polizei tun, um die Lage weiter zu verbessern - abgesehen von Prävention? Gefährderansprache und das Gespräch mit den Eltern sind Stichworte. Es sei wichtig, auch schon straffällige Kinder mit dem eigenen Fehlverhalten zu konfrontieren, sagt Schulz. »Da kann man Dinge stoppen. Je mehr man am Anfang investiert, um so mehr kann man sich später sparen,«
Zum Abschluss die Frage, was dem Jugendkoordinator die größten Sorgen bereitet. »Viele Kinder werden vom Elternhaus unzureichend auf die Internetnutzung vorbereitet. Die virtuelle Welt ist ein Abbild der realen Welt. Wenn ich da mit Hinrichtungsvideos konfrontiert werde, dies im schlechtesten Fall das kleinere Geschwisterchen mitbekommt, dann kann sich das auf die Entwicklung auswirken. Wir haben vor den Sommerferien zum ersten Mal den Fall gehabt, dass in einer vierten Klasse ein Hinrichtungsvideo und pornografische Dateien eingestellt worden sind.«
Doch Schulz blickt auch positiv nach vorne: »Es macht mir Hoffnung, dass immer mehr Menschen auf dem Schirm haben: Wir müssen etwas tun, um unsere Kinder und Jugendlichen zu schützen.«
Viele Aufgaben
Wolfgang Schulz steht generell mit Schulen im Kontakt, auch wenn seine neun Jahre in der Arbeitsgemeinschaft gegen Gewalt an Schulen (AGGAS) schon über ein Jahrzehnt zurückliegen. Schulz wertet Jugendkriminalität in der Wetterau aus, legt seine jährlichen Jugenddelinquenzberichte vor, beobachtet Trends und modi operandi in der Jugendkriminalität, hessenweit setzt er Präventionsprogramme um, ist Ansprechpartner von Jugendgerichtshilfe, Jugendamt, Jugendhilfeeinrichtungen und weiteren Institutionen. Zudem hat er direkten Kontakt mit Schülern und Eltern. »Eigentlich sind 24 Stunden zu wenig«, sagt Schulz, »aber ich mache meine Arbeit mit Herzblut.«