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"A lot of suffering would be avoidable": Even with 85, this doctor still fights against a serious illness

Published on September 22, 2025

Bei anderen Ärzten selben Alters hängt der weiße Kittel längst im Schrank. Doch wer Prof. Dr. Hans Joachim von Büdingen begegnet, merkt sofort: Ruhestand ist für ihn kein Thema. Mit 85 Jahren ist der ehemalige Chefarzt der Neurologie am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg noch immer ein gefragter Experte. Mehrmals pro Woche arbeitet er im „Neurozentrum“, seiner Gemeinschaftspraxis in der Kuppelnaustraße, schreibt Fachartikel, hält Vorträge – und betreibt gemeinsam mit seiner Tochter Corinna die Informationsplattform schlaganfallbegleitung.de. „Ich habe das Glück, dass in meiner Birne noch alles funktioniert“, sagt er mit einem feinen Lächeln. „Und solange das so ist, will ich weitermachen. Denn es ist unglaublich, was man tun kann, um einen Schlaganfall zu verhindern.“ Ein Pionier in Ravensburg Von Büdingen kam Ende der 1970er-Jahre an das Elisabethen-Klinikum, das heute zur Oberschwabenklinik (OSK) gehört. Damals galten Schlaganfälle als kaum behandelbar. Viele Patienten lagen wochenlang auf internistischen Stationen. Es wurde wenig unternommen, sie wieder ins Leben zurückzuholen - viele blieben ein Leben lang halbseitig gelähmt oder konnten nicht mehr sprechen. Von Büdingen setzte sich dafür ein, dass Ravensburg eine spezialisierte Schlaganfallstation erhielt – eine sogenannte Stroke Unit. Hier überwachen Neurologen, Neuroradiologen, Neurochirurgen, Pflegekräfte und Therapeuten Schlaganfallpatienten rund um die Uhr auf einer Intermediate-Care-Station - einer Art Zwischenreich zwischen Normal- und Intensivstation mit strengerer Überwachung, aber ohne Beatmung. Zeit ist bei der Schlaganfall-Behandlung der entscheidende Faktor: Je schneller ein Blutgerinnsel im Gehirn entfernt wird, desto größer die Chancen, dass Betroffene überleben und ihre Fähigkeiten zurückgewinnen. „Time is brain – jede Minute zählt“, betont von Büdingen. Heute werden in Ravensburg mehr als tausend Fälle pro Jahr behandelt, die Klinik gehört zu den überregionalen Stroke Units in Baden-Württemberg. Stroke Nurse – Hilfe über die Klinik hinaus Doch von Büdingen dachte weiter. Schon früh erkannte er, dass Schlaganfallpatienten nach der Entlassung häufig allein gelassen werden. Ende der 1990er-Jahre initiierte er mit einem Förderverein die erste fest installierte „Stroke Nurse“ in Deutschland: eine spezialisierte Pflegekraft, die Patienten und Angehörige auch zu Hause begleitet. Viele niedergelassene Ärzte mögen Schlaganfallpatienten nicht, weil die Nachsorge extrem zeitaufwendig ist. Prof. Dr. Hans Joachim von Büdingen Die „Stroke Nurse“ prüft Blutdruck und Blutzucker, achtet auf die Medikamenteneinnahme, spricht mit Angehörigen und organisiert Hilfen. „Viele niedergelassene Ärzte mögen Schlaganfallpatienten nicht, weil die Nachsorge extrem zeitaufwendig ist“, sagt von Büdingen offen. Die „Stroke Nurse“ füllte genau diese Lücke – ein Modell, das heute bundesweit Schule gemacht hat. Über den Förderverein und die Rotarier sorgte von Büdingen auch jahrelang für die Finanzierung der Stelle - bis die Oberschwabenklinik dies vor einigen Jahren dann übernahm. Aus dieser Erfahrung entstand 2019 das nächste Projekt: die Internet-Plattform schlaganfallbegleitung.de. Gemeinsam mit seiner Tochter Corinna, einer Betriebswirtin, gründete er eine gemeinnützige Gesellschaft. Ziel ist es, Betroffene und Angehörige unabhängig zu informieren. Die Seite bietet alles, was Patienten wissen müssen – von Risikofaktoren und Symptomen über Therapien und Reha-Möglichkeiten bis hin zu Tipps für Alltag und Pflege. Auch Fragen wie „Was kann ich als Angehöriger tun?“ oder „Welche Sozialleistungen gibt es?“ werden dort beantwortet. Bis zu 160.000 Menschen nutzen das Angebot monatlich. Seit 2023 unterstützt die Björn-Steiger-Stiftung die Initiative, alle Inhalte sind werbefrei, unabhängig und medizinisch geprüft. „Der Informationsbedarf ist enorm hoch“, betont von Büdingen. Dass so viele Menschen die Seite nutzen, wertet er als Bestätigung, wie groß die Unsicherheit bei einem Schlaganfall ist – und wie wenig Wissen in der Bevölkerung vorhanden. Kritik am Gesundheitssystem Dabei ließen sich viele Schlaganfälle vermeiden. Die Hauptursachen sind Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen – Erkrankungen, die sich schleichend entwickeln und oft lange unentdeckt bleiben. Von Büdingen kritisiert, dass Prävention im deutschen Gesundheitssystem bis heute kaum eine Rolle spielt: „Wir geben über 500 Milliarden Euro im Jahr für Gesundheit aus, aber nur einen Bruchteil für Vorsorge.“ Tatsächlich würden die Gesetzlichen Krankenkassen nur 1,5 bis 2 Promille (!) ihrer Budgets für Prävention aufwenden. Und das, obwohl Behandlungskosten und anschließende Pflege ein Vielfaches verschlingen würden - vom Leid der Patienten mal abgesehen, sei das volkswirtschaftlicher Wahnsinn. Er fordert deshalb, Gesundheitsbildung fest in den Schulen zu verankern. Studien der Universität Bielefeld zeigen seit Jahren, dass die Gesundheitskompetenz in Deutschland eher sinkt als steigt. „Viele Menschen wissen nicht einmal, was genau ein Schlaganfall ist“, sagt er. „Dabei könnte man bis zu 80 Prozent verhindern – wenn man Risikofaktoren konsequent behandelt.“ Ein Leben für die Neurologie Von Büdingen leitete 27 Jahre die Neurologie am EK Ravensburg, bildete zahlreiche Oberärzte aus und schuf Strukturen, die bis heute tragen. Dass viele seiner ehemaligen Schüler noch immer in der Region arbeiten und mit ihm kooperieren, erfüllt ihn mit Stolz. „Das ist vielleicht mein größtes Glück: über Jahrzehnte etwas aufzubauen und weiterentwickeln zu können.“ Auch im Privaten lebt er, was er predigt – wenn auch nicht asketisch. Bis Rückenprobleme ihn bremsten, spielte er Tennis, er schwimmt gern, achtet auf Bewegung im Alltag. Zweimal unterzog er sich einer Fastenkur nach Buchinger in Überlingen, um Gewicht zu verlieren. Alkohol trinkt er heute nur noch selten, Rauchen hat er vor 20 Jahren aufgegeben. Medikamente gegen Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen nimmt er zuverlässig ein, weil die Krankheiten in seiner Familie häufig auftreten. Vor allem aber: Er bleibt geistig aktiv. Mit seinen vier Kindern und neun Enkeln diskutiert er leidenschaftlich über Politik und Gesellschaft. In Rotary-Clubs der Region hält er Vorträge – zuletzt unter dem Motto „Gesundheitsbildung in die Schule“. „Geistige Anregung ist das Wichtigste. Ich habe Freude daran, Dinge aufzubauen und über lange Zeit konsequent weiterzuführen.“ Leitfaden für Angehörige erschien Anfang September Von Büdingen denkt nicht daran, aufzuhören. Er arbeitet an Projekten zur Nachsorge, an der Weiterentwicklung der Website – und will mit seinen Vorträgen das Bewusstsein für Prävention stärken. „Man kann Menschen viel Angst nehmen, wenn man ihnen zeigt, was sich vermeiden lässt“, sagt er. Jüngst hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie gemeinsam mit Nadine Stelzer ein Buch geschrieben: Der Ratgeber „Schlaganfall – Der Leitfaden für Angehörige“ (Trias Verlag) ist allgemeinverständlich geschrieben und seit 3. September im Buchhandel erhältlich. Schwäbische.de begleitet Prof. von Büdingen in einer Serie über Schlaganfall.