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Uschi Glas is horrified: "I am ashamed of my German fellow citizens"
Published on September 19, 2025
Uschi Glas ist entsetzt. Die Schauspielerin kann es nicht fassen, dass ihre eigene Branche so wenig Solidarität mit Israel und der jüdischen Bevölkerung hierzulande nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 gezeigt hat.
„Diese Unwissenheit, diese Einseitigkeit, vor allem, wenn ich mit jungen Menschen spreche“, sagt Uschi Glas. Das mache sie sehr traurig. „Ich schäme mich für meine deutschen Mitbürger, die unseren Leuten nicht zur Seite stehen“, sagt sie. 0,2 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören dem jüdischen Glauben an.
Schild in Flensburg: „Juden haben hier Hausverbot“
Auch fast 1000 Kilometer weit von München entfernt sind einige Bürger entsetzt. In einem Flensburger Geschäft hängt in dieser Woche ein Schild im Schaufenster, auf dem zu lesen ist: „Juden haben hier Hausverbot. Nichts Persönliches, auch kein Antisemitismus, kann euch nur nicht ausstehen.“ Nachdem mehrere Strafanzeigen gestellt wurden, prüft die Staatsanwaltschaft laut Deutscher Presse-Agentur nun, ob ein Straftatbestand erfüllt ist.
„Ich hätte nicht gedacht, dass in unserem Land wieder so ein Hass aufsteigen kann, eine solche Ablehnung, eine solche Verdrehung“, sagt Uschi Glas. Die Schauspielerin, Jahrgang 1944, kann sich an die Zeit erinnern, als der Zweite Weltkrieg und der Holocaust erst wenige Jahre vorbei waren. Schon als junges Mädchen habe sie die Frage beschäftigt, wie ihre Großeltern, Eltern und Nachbarn es zulassen konnten, dass mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden bestialisch ermordet wurden. Seit Jahren engagiert sie sich gegen Judenhass und ruft nun dazu auf, einen Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus zu unterstützen.
Drohungen gehören zum Alltag
Guy Katz ist Professor für Internationales Management an der Hochschule München - und er ist Jude. Die Lage sei erschreckend, sagt er. Jüdinnen und Juden in Deutschland, die sich wie er nicht versteckten, müssten täglich mit Hasskommentaren und sogar Morddrohungen rechnen. „Juden leben in Angst und denken darüber nach, ihre Koffer zu packen“, sagt Katz.
Er will diese Situation so nicht hinnehmen. Deshalb hat er das Bündnis „D-A-CH“ ins Leben gerufen, in dem sich Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegen Judenhass engagieren. Zuvor hat er in München die Aktion „Run for their Lives“ mit initiiert, eine Solidaritätsaktion mit den israelischen Geiseln in Gaza. Jetzt gehört er zu jenen, die den Fünf-Punkte-Plan auf den Weg gebracht und eine entsprechende Petition gestartet haben.
Mehr antisemitische Vorfälle registriert
Dass sich die jüdische Bevölkerung in Deutschland nicht nur bedroht fühlt, sondern auch bedroht wird, belegen diese Zahlen. Die antisemitischen Vorfälle haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. 2024 verzeichnete der Bundesverband der Recherche und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) 8627 Vorfälle, das entsprach einem Anstieg von nahezu 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der 7. Oktober 2023 hat, auch das zeigt die Statistik, nicht das Mitgefühl mit den Jüdinnen und Juden befördert, sondern Hass und Hetze haben zugenommen.
Der Hass kommt von allen Seiten
Der Hass komme von Rechtsaußen, von Linksaußen, von Islamisten, sagt Elio Adler, Vorstandsvorsitzender des Vereins Werteinitiative. So verschieden deren Weltbilder auch sein mögen, sie könnten sich auf eine Sache einigen: Verantwortlich für das Unrecht oder die Zustände seien die Juden, erklärt Adler den zunehmenden Antisemitismus.
Er erfülle das „Urbedürfnis im Menschen, Verantwortung abzugeben, Schuldigkeit und Verantwortlichkeiten auszulagern“, so Adler. Aber er und die anderen, die sich zusammengetan haben, um den Fünf-Punkte-Plan gegen Antisemitismus auszuarbeiten, wollen dies nicht länger so hinnehmen.
Eine der Forderungen: Gesetzeslücken schließen
„Panzerglas und Polizeischutz machen Antisemitismus nicht weniger, sie verhindern aber, dass wir Opfer konkreter Hassverbrechen werden“, sagt Adler. Die Gesetzgebung weise kaum zu fassende Lücken auf, so falle Online-Hass viel zu oft durch das strafrechtliche Raster.
Dasselbe gelte für Israel-feindliche Parolen auf Demonstrationen und für Aufrufe zur Intifada. Adler und seine Mitstreiter fordern deshalb eindeutige und strengere Formulierungen im Strafgesetzbuch. Auch Boykottaufrufe gegen Israel müssten unterbunden werden.
Kein öffentliches Geld mehr für „antisemitische Projekte“
„Prävention, Intervention, Repression“, so fasst Volker Beck, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, die Ziele des Fünf-Punkte-Plans zusammen. Um das zu erreichen, setzen die Initiatoren unter anderem auf mehr Wissensvermittlung über jüdisches Leben und die israelische Geschichte an Bildungseinrichtungen, zudem sollte es an jeder Hochschule einen Antisemitismusbeauftragten geben. Die Ausübung jüdischer Religionsfreiheit müsse im Feiertagsrecht abgesichert werden. Im Kulturbereich fordert das Bündnis klare gesetzliche Grundlagen, damit öffentliche Gelder „nicht an antisemitische Projekte fließen“.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der einer der Schirmherren der Aktion ist, unterstützt dieses Anliegen. Dem Nachrichtenmagazin „Politico“ sagte der parteilose Politiker, er plane, entsprechende Förderrichtlinien zu erlassen. Den Antisemitismus in der Kulturszene bezeichnete er als „krass“ und „unerträglich“.
Jüdische Studierende klagen über Situation an Hochschulen
Doch auch das ist Katz und seinen Mitstreitern klar: Vorurteile und Feindseligkeiten lassen sich mit Druck allein nicht überwinden. Dazu braucht es mehr - zwischenmenschliche Kontakte und daraus resultierendes Verständnis füreinander. Um das zu erreichen, schlagen sie vor, Begegnungsprogramme für Schüler, Studierende, Justiz und Polizei zu fördern, ebenso Städtepartnerschaften mit Israel und wissenschaftliche Kooperationen zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Gerade an den deutschen Hochschulen haben die antisemitischen Vorfälle massiv zugenommen. Universitäten seien zu Hochburgen des Antisemitismus geworden, „frei von jeglicher Wissenschaftlichkeit“, sagt Naomi Tamir, Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland.
Katz hofft auf mehr als 30.000 Unterschriften
Wie es nun weitergeht? „Wir brauchen 30.000 Unterschriften, um in Deutschland etwas bewirken zu können“, sagt Guy Katz. Erst wenn diese Mindestzahl erreicht ist, werden hierzulande Initiatoren einer Petition bei einer öffentlichen Sitzung des zuständigen Bundestagsausschusses angehört. Für Katz wäre es allerdings ein schlimmes Zeichen, wenn nicht mehr Menschen den Fünf-Punkte-Plan unterstützten. „Wenn wir nicht 100.000, eigentlich viel mehr erreichen, dann können wir Juden wirklich wegziehen“, sagt er. Immerhin: Mehr als 200 Organisationen, Vereine und Promiente gehören zu den Erstunterzeichner der Petition. Viele, die Katz angeschrieben hat, gerade auch Hochschulen, hätten jedoch mit „Stille“ geantwortet.
Auch Charlotte Knobloch unterstützt die Initiative
„Es fällt mir sehr schwer, diese Themen hier an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn ich habe sie schon einmal erlebt“, sagt Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie hat wie Weimer und der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eine Schirmherrschaft für den Fünf-Punkte-Plan übernommen. Knobloch wurde 1932 in München geboren und überlebte den Holocaust nur deshalb, weil sie als Kind mit einer falschen Identität versteckt wurde.
Jetzt ist sie 92 Jahre alt und beobachtet, dass der wachsende Judenhass die Gesellschaft „zerstört und vor allem auch spaltet“, wie sie sagt. Juden verschwiegen wieder, dass sie Juden seien, junge Menschen machten sich Gedanken, ob sie in dieser Umgebung eine Zukunft haben. Dennoch vertraut sie darauf, dass die Initiative Erfolg haben wird. Weil sie wisse, „dass dieses Land seine Werte in Ehren hält und seine Verantwortung ernst nimmt“, sagt Charlotte Knobloch. „Beides braucht es jetzt.“